Good Vibrations | Die Universität als urbaner Campus
Ausstellung im Foyer der Bundesimmobiliegesellschaft, Wien
Beginn: 17. März 2023
Ausstellung in der Otto Wagner Postsparkasse
13. Oktober – 25. November 2022
Ausstellung im Aedes Architekturforum Berlin
19. März – 5. Mai 2022
Universitäten und ihre Bauten vereinen Raum, Forschung, Lehre und soziales Leben. Auf diesem inhaltlichen und planerischen Fundament ruhend, bringt der neue Typus „Universität als urbaner Campus“ Hochschulstandorte mit öffentlichen Freiräumen in Verbindung und schafft Interaktionen mit der Nachbarschaft. Die Ausstellung der österreichischen Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) zeigt anhand von neun realisierten Um- und Neubauprojekten, wie aus baukünstlerischem Diskurs und städtebaulicher Planung „Good Vibrations“ entstehen. Die von nationalen und internationalen Architekt:innen entworfenen Beispiele in Wien, Graz und Linz belegen: Campus und Stadt sind nicht länger voneinander getrennt, sondern zum beiderseitigen Nutzen spannungsvoll verwoben. Präsentiert werden Pläne, Fotos und Videos sowie als zentrale Installation eine Collage aus städtebaulichen Modellen aller neun Projekte.
Campus und Stadt
Für die Gründung und den Bau neuer Universitäten waren die 1960er- und 1970er-Jahre eine Zeit des Neuanfangs. Europa orientierte sich an den USA als Inbegriff von Demokratie und Fortschritt – man legte moderne Universitäten als Campus im Grünen mit offenen, flachen Strukturen an. Oft weit vom Zentrum entfernt, bildeten sie mit ihren großzügigen Freiräumen einen Gegenpol zu den historischen Stadtuniversitäten. Mittlerweile wird wieder intensiv in Bildungsinfrastruktur investiert, die Universitäten wachsen. Doch Klimawandel und digitale Transformation definieren die Parameter heute völlig neu. Zeitgenössische Lehre ist interdisziplinär, dialog- und prozessorientiert, sie erfordert eine sehr spezifische Architektur. Studierende benötigen technische, wissenschaftliche und räumliche Infrastruktur sowie Orte für Begegnung, Diskurs, Konzentration, Aneignung und Teilhabe. Als Modell funktionaler Raumbildung muss die Universitätsarchitektur auch städtebaulich mit ihrem Umfeld interagieren und strukturell so flexibel sein, dass sie künftige Veränderungen antizipieren kann.
Neue Universitätsbauten in Österreich
Als eine der größten Immobilieneigentümerinnen entwickelt und verwaltet die österreichische Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) landesweit öffentliche Bauten, darunter etwa 350 Universitätsgebäude – vom Renaissance-Juwel bis zum modernen Universitätscampus. Als zeitgemäßen Typus forciert sie den „urbanen Universitätscampus“, der eine Verbindung zwischen Freiraum und Interaktion mit der Stadt hervorruft. Wesentliches Ziel der BIG ist es, durch innovative Neubauten und größere Sanierungen vitale Orte zu schaffen, die dem menschlichen Grundbedürfnis nach vielfältiger, stimulierender Umwelt entsprechen. Sie präferiert eine ganzheitliche Betrachtung und verfolgt weitreichende Strategien – Architekturwettbewerbe sind dabei die Basis der erfolgreichen Arbeit. Nicht nur der Campus an der Peripherie, auch die traditionellen Stadtuniversitäten haben ihre spezifischen Defizite. Draußen fehlen Urbanität und Leben, in der Stadt Freiraum und Grün. Eine erfolgreiche Kompensation, wie seitens der BIG generell angestrebt, führt zur Annäherung dieser beiden Modelle, im besten Fall zu einer Verbindung. Der Fokus liegt in der Transformation des Bestands, wodurch ein wesentlicher Beitrag zur CO2-Reduktion geleistet wird. Oft ist der „urbane Universitätscampus“ in historische Stadtstrukturen eingefügt, die durch An-, Um- und Zubauten modernisiert wurden. Das trifft beispielsweise auf die weiterentwickelte Universität für angewandte Kunst in der dicht bebauten Innenstadt von Wien zu, wo in behutsam adaptierten Beständen existierende Freiräume gesucht und diese mit den Bestandsgebäuden verflechtet wurden: Innenhof, Atrium, Straße, Platz bilden hier ein neues, nutzungsoffenes Raumgeflecht zur Interaktion. Auch der erste Campus Österreichs – die in den 1960er-Jahren erbaute Johannes Kepler Universität in Linz – wurde in den letzten Jahren mit gezielten Interventionen und Erweiterungsbauten in sein Umfeld eingebunden.
Ausstellung
Die von Architekt Peter Riepl kuratierte Ausstellung Good Vibrations zeigt ausgesuchte Beispiele neuer Campus-Standorte im stadträumlichen Kontext. Die unterschiedlichen Erscheinungsformen des „urbanen Universitätscampus“ in Österreich sind kontextuell in einem Umgebungsmodell im Maßstab 1:1.300 dargestellt, welches die zentrale Installation bildet. Filme, Bilder und Texte geben weitere Einblicke in die von nationalen und internationalen Architekt:innen entworfenen Campus-Standorte.
Über die Bundesimmobiliengesellschaft
Die Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H. (BIG) ist eine der größten Immobilieneigentümerinnen Österreichs. Sie entwickelt, baut, erhält und revitalisiert an die 2.000 Liegenschaften. Im Portfolio der BIG sind Schulen, Amtsgebäude und Universitäten. Büro- und Wohngebäude sind in der Konzerntochter ARE Austrian Real Estate GmbH gebündelt. Viele Gebäude stehen unter Denkmalschutz, die ältesten stammen aus dem Mittelalter. Seit ihrer Gründung 1992 arbeitet die BIG an der Perfektionierung der Universität als Ort von Forschung, Lehre und Begegnung. Gemeinsam mit den Universitäten und dem Wissenschaftsministerium plant sie den Ausbau der österreichischen Universitätsstandorte. Internationale Klimaziele werden kompromisslos eingehalten bzw. vorverlegt. Kunstwerke (BIG ART) an öffentlichen Gebäuden initiieren einen Dialog mit der Bevölkerung. Mit Wettbewerben garantiert die BIG anspruchsvolle Architektur und hat dafür in den letzten Jahren mehr als zehn Bauherrenpreise und renommierte internationale Architekturpreise erhalten.
Am Campus der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien war so gut wie alles neu: das Leitbild, die Organisation der Lehre, der Wunsch nach Weltoffenheit, methodischer Vielfalt und Interaktion mit der Stadt. Seine Umsetzung forderte allen Beteiligten den unbedingten Glauben an die Vision einer neuen Art von Campus ab. Auch die Wahl eines Grundstücks am Übergang zum Grünen Prater war ein Statement. Dieser Teil der Stadt hat keinerlei universitäre Tradition. Die WU setzte auf die Ausstrahlung und Zugkraft internationaler Signature-Architektur. NO.MAD Arquitectos, Estudio Carme Pinós, Zaha Hadid Architects, Atelier Hitoshi Abe, CRAB Studio mit Peter Cook und BUSarchitektur planten die einzelnen Bauten. Deren individuelle Architekturhandschriften sollten Vielfalt garantieren und Identität stiften. Diese gemeinsam zu einem großen Ganzen zu formen, war die große Herausforderung für die Master-, General- und Freiraumplanung von BUSarchitektur. Das 90.000 Quadratmeter große Grundstück liegt abseits der klassischen Wiener Universitätsstandorte auf der anderen Seite des Donaukanals im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Im Norden grenzt es an die Messe Wien und im Osten an ein hochwertiges, nach Planung des Campus neu entwickeltes Bürogebiet. Seine südliche Längsflanke liegt am Übergang zum Grünen Prater. 1766 hatte Kaiser Joseph II. das einstige Jagdrevier der Habsburger dem Volk geöffnet, bis heute ist der Prater ein beliebtes Erholungsgebiet und Frischluftreservoir – er war von Tourismus, Vergnügen und Halbwelt geprägt. Der Campus WU besetzte die Gegend neu. Rotlichtmilieu wich weltläufiger studentischer Betriebsamkeit auf einem urbanen und fotogenen Ort. Die alte WU lag ein paar Straßenbahnstationen vom Hauptgebäude der Universität Wien entfernt am Gürtel. Sie war Teil einer damals hochmodernen technoiden Großform. Schon bei der Eröffnung 1982 zu klein, litt sie notorisch an Raumnot. 2002 kam ein neues Universitätsgesetz, die WU erfand sich neu. Im Dezember 2007 wurde ein EU-weiter Wettbewerb für die Generalplanung des Campus ausgelobt, im Mai 2009 stand BUSarchitektur als Sieger fest. In einer zweiten Stufe wählte die Jury die internationale Architekturprominenz für die weiteren Baufelder aus. Am 4. Oktober 2013 wurde der Campus WU eröffnet. Zaha Hadid – längst Synonym für Stararchitektur – entwarf als Flaggschiff das Library & Learning Center. Ein genialer Schachzug. Der futuristische Bau verkörpert kongenial die zukunftszugewandte Corporate Identity der WU. Der weiße Sockelbauteil mit den Serviceeinrichtungen für Studierende vermittelt Dynamik. Die spektakuläre, mehrgeschosshohe weiße Aula mit ihren abgerundeten Ecken, Treppen, Luftbrücken und Galerien ist zentrale Anlaufstelle, Verteiler, Festplatz, Kommunikations- und Transitzone. Der darüber liegende anthrazitgraue Bibliotheksbaukörper kragt 36 Meter weit über den Platz aus. Am Kreuzungspunkt aller Wege fungiert das Library & Learning Center gleichermaßen als magnetisches Kraftfeld für die Ausrichtung der anderen Bauten. 143.000 Quadratmeter Nettoraumfläche, 4.000 Räume, 90 Hörsäle und Seminarräume verteilen sich auf 35.000 Quadratmeter bebaute Fläche, dazwischen liegen 55.000 Quadratmeter urbaner Freiraum. Sie bilden eine Welt für 25.000 Studierende und 1.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Den Auftakt macht unweit der Messe die Executive Academy von NO.MAD Arquitectos aus Madrid. Die Fassade der verdrehten, verschnittenen, schwarz schimmernden Kuben ist in horizontale und vertikale Felder unterteilt, die unterschiedlich lichtdurchlässig sind. Dahinter liegen zweigeschossige Hörsäle und teils faszinierend verspiegelte Räume. Das Departmentgebäude D3 und die Verwaltungsgebäude AD des CRAB Studio von Peter Cook polarisieren am meisten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WU lieben es. In den 1970ern machten Walking-, Plug-in- und Stadtutopien von Peter Cooks Archigram Furore, seine WU-Bauten erinnern an Pop-Art und Comic-Strips. Organisch geformt, zinnoberrot, orange und gelb gestreift, mit Sonnenschutzlamellen aus rohem Holz, schlängeln sie sich über den Bauplatz. Sie erzeugen Nischen und Durchgänge, die Schutz vor Witterung bieten und eine Verbindung zum Prater schaffen. Bänke winden sich um Säulen, es gibt Terrassen mit Pflanzen und Sitzstufen. Das Departmentgebäude D4 vom Estudio Carme Pinós verbreitet mit seinen schmalen Baukörpern und der mäandrierenden Fassadengliederung schwarz-weiße Eleganz (Nettoraumfläche: 16.700 m2). An das Library & Learning Center von Zaha Hadid schließen das Teaching Center und Departmentgebäude D1 von BUSarchitekur an: auffällige Bauten, die mit vorbewittertem Cortenstahl verkleidet sind, der bei jedem Wetter seine Farbe ändert. Lebendig wie das Fell eines Tieres. Außen und innen: Freitreppen, Sitzstufen, Rampen, Galerien, Hörsäle, offene Lernzonen. Tolle Räume, sehr ambitioniert, gute Stimmung. Im Departmentgebäude D2 und Students Center vom Atelier Hitoshi Abe gibt es auch einen Kindergarten, einen Supermarkt und ein Lokal. Japanisch reduziert und vielschichtig weist es den Weg stadtauswärts. Als öffentlicher Laufsteg und vielseitige Bühne für Studierende verbindet der Freiraum alle Bauten. In der Mitte urban gepflastert, an den Rändern grün, schafft er unterschiedliche Atmosphären. Er ist mit Sitzbänken, Brunnen, Tischtennistischen und Hügeln aus Sportbelag möbliert. Seine Pflanzenmischungträgt zu jeder Jahreszeit eine andere Farbe. Längst ist der Campus WU ein Teil der Stadt. Wienerinnen und Wiener – nicht nur aus der Umgebung – nutzen ihn zum Laufen und für ihre Freizeitgestaltung, sie gehen in die Lokale und in den Supermarkt. Fazit: Es gibt ein Wien vor und ein Wien nach der Eröffnung des Campus WU.
Die Kunstuniversität strebte immer schon nach Superlativen. Ihr Ursprung liegt im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie. Ihm war die k.k. Kunstgewerbeschule angegliedert. Heinrich von Ferstel, einer der bedeutendstenArchitekten seiner Zeit, plante das Museum und das angrenzende Haus der Kunstgewerbeschule am Stubenring. Juwelen des Späthistorismus. Lehrende wie der mehrfach wegweisende Architekt Otto Wagner machten sie zur Talenteschmiede, auch eine der ersten Architektinnen, Margarete Schütte-Lihotzky zählte dazu. Mitte der 1960er bauten Max Fellerer, Eugen Wörle und Karl Schwanzer erstmals an. Sie setzten einem Stahlbetontrakt mit großen Fenstern und gemauerten Brüstungen im strengen Raster an die gegenüberliegende Seite des Gründerzeitblocks. 18 Meter breit, 90 Meter lang gleitet er am Wienfluss entlang. Im Hof überrascht ein pavillonartiges Bildhaueratelier aus Sichtbeton, als Gelenk und Verteiler fungiert ein dreistöckiger Verbindungsbau. Bis 2018 sanierten die Architekten Riepl Kaufmann Bammer den Bestand. Sie befreiten ihn von allen Zu- und Einbauten und führten ihn auf seine Struktur aus Sichtbetonstützen und Rippendecken zurück. Die Fenster wurden erneuert, für technische Infrastruktur, Raumteiler, Zwischenwände, Türen, Stiegen und ähnliches entwickelten sie ein Baukastensystem. Alles ist ablesbar und reversibel. Außerdem wurde die Universität für angewandte Kunst um das frühere Amtsgebäude von Alois Schumacher der Jahre 1895–1901 erweitert. Es liegt in Sichtweite diagonal auf der anderen Seite des Wienflusses. Eine Fassade mit korinthischen Halbsäulen, dahinter füllt eine Beamtenburg einen verzogenen Gründerzeitblock auf. Die Architekten beließen die Hülle, das historische Treppenhaus und den äußersten Ring an Büros. Die Mitte des Baus wurdezum großen Atrium mit Glasdach entkernt, umlaufende Galerien aus Sichtbeton, die auch statisch wirksam sind, rahmen den haushohen Luftraum, erschließen die Büros und schaffen einen kommunikativen Ort. Das Atrium bildet eine Art inneren öffentlichen Platz, in dem wie ein autarkes Möbel der Vortragssaal steht, ganz oben ist die Bibliothek. Die Schweizer Bauingenieure Conzett Bronzini Partner berechneten das statische System, das diese massive Aushöhlung ermöglichte. Derzeit bauen Riepl Kaufmann Bammer den Campus der Österreichischen Akademie der Wissenschaften um, die mit der Universität für angewandte Kunst gemeinsam die sanierte Postsparkasse von Otto Wagner nutzen und sozusagen eine Art Wissenscluster in der Inneren Stadt bilden soll. Ihr derzeitiges Hauptgebäude ist ein seltenes Exemplar des französischen Barock von Jean Nicolas Jadot, ist schon vollständig saniert. Das gegenüberliegende ehemalige Jesuitenkolleg wird es demnächst sein. Dessen Arkadenhof, der bis dato der Allgemeinheit nicht zugänglich war, wird für Passantinnen und Passanten geöffnet und so zum Teil der Stadt. Diese grüne Frischluftoase ist größer als der davorliegende Platz. Beide sollen als zusammenhängender Freiraum erfahrbar sein. Unweit davon reift auch Otto Wagners ikonischer Bau der Postsparkasse zum universitären Ort. Die denkmalgeschützte Jugendstilikone wird von der Akademie der Wissenschaften, der Universität für angewandte Kunst, der Johannes Kepler Universität Linz, dem Wissenschaftsfonds FWF und anderen Institutionen aus Kunst und Wissenschaft gemeinsam bespielt werden. In der ikonischen Großen Kassenhalle ist ein „Wiener Salon“ mit Kulinarik und Kultur geplant.
Der MED CAMPUS Graz ist ein städtebaulicher Wurf von seltener Konsequenz. Er ging aus einem Wettbewerb hervor, der Spatenstich erfolgte 2013. Riegler Riewe Architekten komprimierten ein komplexes Programm aus Hörsälen, Laboren und Seminarräumen zu einer modularen Struktur. Der Campus liegt neben dem Universitätsklinikum im Nordosten von Graz. Er besteht im Prinzip aus mehreren parallelen Büro- und Labor scheiben in einem Abstand von vier bis sechs Metern. Sie sind von Nordosten nach Südwesten so ausgerichtet, dass die Winde aus Nordosten zwischen den Bauteilen in die Stadt strömen können. Dadurch bleibt dieser Frischluftkorridor für Graz erhalten. Der gesamte Campus folgt von der Baukörperdimension bis zur Möblierung einem Achsmaß von 1,15 Metern. Modul 1 erreicht eine Gesamtlänge von 210 Metern, ist etwa 60 Meter breit und knapp über 30 Meter hoch. Alublechpaneele in sieben Grautönen erzeugen auf der Fassade ein abstraktes Bild, das an einen Wolkenhimmel erinnert und so das Volumen optisch auflöst. Der Hauptzugang liegt im Osten auf Straßenebene: Man betritt den Campus über ein geräumiges Foyer unmittelbar vor der Aula, die sich flaschengrün aus dem hellgrauen Boden löst. Sie ist multistrukturell aufgebaut, also maximal flexibel. Die fünf Hörsäle sind windradartig um sie herum angeordnet. Im zweiten Stock beginnen die Labor- und Büroebenen. Sie sind als parallele Volumen organisiert, die von Südosten nach Nordwesten von zwei Seiten belichtet werden. Anforderungen an Labore ändern sich ständig. Dank ihrer offenen, modularen Struktur und den frei geführten Installationsleitungen sind sie leicht umfunktioniert werden. Eine Gerätezone mit Notdusche bildet den Übergang zwischen dem tageslichthellen Flur und der Laborzeile, die bis an die gegenüberliegende Fensterfront reicht. Brücken verbinden die breiteren Labor- mit den schmäleren Büroriegeln. Innen ist der Campus von einem Geflecht aus Gängen, Teeküchen und Kommunikationsflächen durchzogen. BIG ART lädt den Campus mit Bedeutung auf. Im Durchbruchvon Modul 1 ließ Manfred Erjautz Figuren aus Aluminiumguss aus der Untersicht ragen. Fötus, Baby, Kind, Jugendliche, Schwangere, Mann, alter Mensch und Skelett versinnbildlichen den Lebenszyklus in seiner Endlichkeit. Esther Stocker entwickelte ein vier Meter hohes Knitterobjekt. Seine Trägerstruktur ist mit einer Vinylplane überzogen, seine Oberfläche mit schwarz-weißen Grids. Man assoziiert ein Papierknäuel: Bild für Trial and Error im Forschungsprozess. Den Laborgang gestaltete Misha Stroj mit einer Art wandhohem Setzkasten. Sieben mal drei Felder voll Fotos, Reproduktionen, Schriften, Objekten. Die Wände des Foyers der Aula gestaltete Matt Mullican mit archaisch anmutenden, organoiden Illustrationen, Symbolen und Piktogrammen auf gelb grundierter Leinwand. Goldschimmernd wirkt sie wie eine schamanische Schriftrolle. Die Geschichte des MED CAMPUS Graz begann 2003, als die vorklinischen Institute der Medizinischen Universität Graz mit dem Universitätsklinikum zusammengelegt wurden. 2010 war Baubeginn, als Erstes ging 2014 das Zentrum für Wissens- und Technologietransfer in der Medizin in Betrieb. Es wird von externen Start-ups genutzt und bildet mit seinem Café die Nahtstelle zur Stadt. Unmittelbar dahinter schließt Modul 1 an, wo 2017 der Universitätsbetrieb startete. Modul 2 Ost und Modul 2 West mit weiteren 40.000 Quadratmetern Nettoraumfläche werden demnächst fertig sein, ebenso die Anatomie, die einen 8.500 Quadratmeter großen Altbau-Kontrapunkt im Campus-Ensemble setzt. Franz & Sue adaptierten und erweiterten den denkmalgeschützten Anatomielehrstuhl des Jahres 1912 um einen Neubau, der unterirdisch mit dem Bestand verbunden ist. Dadurch entsteht ein Innenhof. Im Mai 2023 wird der gesamte MED CAMPUS Graz feierlich eröffnet. Vermutlich wird das als Piazza angelegte Flachdach zwischen Modul 1 und Modul 2 zum Lieblingsort der Studierenden.
Als „k.k. Hochschule für Bodencultur“ 1872 gegründet, zog die Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU) 1896 auf die sogenannte „Türkenschanze“. Diese liegt etwas über der Stadt in einem noblen Cottage-Viertel. Oberingenieur Alois Koch plante das Gregor Mendel Haus in späthistoristischer Pracht, Architekt Helmut Neumayer zeichnete für die Generalsanierung und den Dachbodenausbau bis 2016 verantwortlich. Vor dem Haupteingang breitet sich der Linnéplatz aus, rückseitig eine landwirtschaftliche Fläche mit Glashäusern und Pflanzbeeten für Studierende, im Süden liegt der Türkenschanzpark. Seit jeher widmete sich die BOKU der Naturforschung,heute ist sie eine der besten Life Science-Universitäten Europas. Das bringt viel Zulauf und erfordert Raum. Gegenüber vom Gregor Mendel Haus lag der legendäre „Türkenwirt“, kurz „das Tüwi“ – eine Lokal-Institution für alle BOKU-Studierenden. Der Altbau war unrettbar – ihm folgte das neue Tüwi nach. Ein Haus mit drei Instituten, Hörsaal und Mensa. Die Architekten Baumschlager Hutter Partners bündelten das Programm zu einem Baukörper mit Atrium und ordneten über die Hälfte des gewaltigen Volumens unterirdisch an. Der Hörsaal für 400 Personen ist dort bestens aufgehoben, ein abgesenkter Innenhof schenkt dem neuen Tüwi-Lokal mit Hofladen natürliches Licht und einen Vorplatz, wo sich viel tut. Das Tüwi fügt sich in seinUmfeld und nutzt die konstante Temperatur des Erdreichs. Das erhöht die Energieeffizienz – dank Betonkernaktivierung, Kompaktheit, Dreischeibenisolierglas, Mineralwolledämmung, Solarkollektoren auf dem Dach, Geothermie und mehr schaffte das Tüwi den Plus-Energiestandard. Das Franz Schwackhöfer Haus von Architekt Anton Schweighofer war zu seiner Bauzeit 1974 ein Meilenstein. Die rote Wendeltreppe in der Halle, offen liegende Stahlträger und die Cortenstahlfassade setzen Maßstäbe. Korrosion und Asbest machten ihnen ein Ende, Konstruktion und Raumhöhen blieben im farbig-transparenten Umbau der Architekten Schwalm-Theiss & Gressenbauer und Herbert Bohrn erhalten. Das direkt benachbarte Ilse Wallentin Haus von SWAP Architekten und Delta zeigt exemplarisch das Potenzial modernen Holzbaus. Der erdberührende Sockel aus Stahlbeton schützt das Holz vor Bodenfeuchtigkeit und hebt das Erdgeschoss auf das Podest einer umlaufenden Terrasse. Darunter liegen acht von Oberlichtbändern natürlich erhellte Seminarräume am kühlen Garten. Die oberen vier Geschosse sind in einer Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Holz errichtet, der Rohbau stand in sechs Wochen. Ein modularer Raster von 3,2 Metern schafft eine flexible Struktur mit einer schönen Kassettendecke. Er ist auch an der Fassade aus vorgeblendeten, vertikalen Holzlisenen ablesbar. Die Felder zwischen den Stützen sind vollverglast, ihre breiten Parapete bilden umlaufende Bänke aus. Bis auf den Stiegen- und Sanitärkern ist der Grundriss offen. Derzeit wird er für helle, einladende Seminarräume, die Bibliothek und offene Lernzonen mit amöbenförmigen Tischen genutzt. Die 1.000 Kubikmeter Holz, die hier verbaut sind, binden 1.000 Tonnen CO2. Kein Wunder, dass es mit dem Gebäudeausweis „klimaaktiv Gold“ zertifiziert wurde.
Komposition, Dirigieren, Bühnengestaltung, Kirchen und Computermusik: Die Universität für Musik und darstellende Kunst Graz (KUG) lehrt alles, was mit Performance zu tun hat. Unter Kennerinnen und Kennern ist sie die erste Adresse in Österreich für eine Jazz-Ausbildung. Über 2.000 Studierende aus etwa 70 Nationen zählt die KUG derzeit. 1963 bezog sie das Palais Meran, ein spätklassizistisches Juwel, das 1841–43 als Wohnsitz des Habsburgers Erzherzog Johann errichtet worden war. Im Osten vor dem Haupteingang breitet sich ein urbaner Platz aus. Das neue MUMUTH und das vom Pferdestall zum Schauspiel-Institut umfunktionierte Theater im Palais bereichern die Stadt Graz, die seit ihrer Metamorphose zur Europäischen Kulturhauptstadt 2003 als Nährboden für zeitgenössische Architektur gilt. Verheißungsvoll lugt das MUMUTH, Haus für Musik und Musiktheater zwischen den Bäumen auf die Stirnseite des Platzes vor. 22 Meter breit, 71 Meter lang, 17 Meter hoch, ist das Grazer Landmark mit einem feinmaschigen, transluzenten Mesh Metallgewebe verkleidet, das eine weiche, konturgebende Hülle bildet. Dieses Stück Avantgardearchitektur aus dem Thinktank des UNStudio von Ben van Berkel war Resultat eines internationalen Wettbewerbes. Das MUMUTH orientiert sich an der dynamischen Figur des Twist und greift nach den Sternen. Tagsüber schimmert es je nach Wetter einmal auffälliger, einmal unaufälligiger, abends und nachts verwandeln LEDs das MUMUTH in einen farbig leuchtenden Kristall. Innen zeigt sich das Motiv des Twist in der geschwungenen Freitreppe, die das erste mit dem zweiten Geschoss verbindet. Der größte Saal des MUMUTH ist nach dem Komponisten György Ligeti benannt und ein Bühnenchamäleon erster Güte. Sein Holzboden aus 108 unabhängig steuerbaren Hubpodesten ermöglicht vom Frontaltheater bis zur Raumbühne unterschiedlichste Spielsituationen, die auberginefarbene CNC-gefräste Wandverkleidung besticht mit herausragend flexibler Akustik. Ein Orchesterproberaum, Studiobühne, Werkstätten, Büros und Theater-Infrastruktur komplettieren das Raumprogramm. Die ehemaligen Stallungen aus dem Jahr 1845, die das Gegenüber des Palais bilden, wurden zum Theater im Palais. Das Grazer Architekturbüro balloon renovierte die Stallungen mit Sorgfalt und schaltete ihnen – sauber mit einer Glasfuge getrennt – über die gesamte Gebäudelänge ein rund 300 Quadratmeter großes Foyer vor. Dieser offene Raum nimmt auch Büros, Seitenbühne und ein barrierefreies WC auf. Er ist zum Platz hin verglast – und schafft so eine Verbindung zum Palais Meran und zur Stadt. Wie ein zeitgenössisches Tempelfries rahmt ein perforiertes, semitransparentes Band aus drei Millimeter dickem, goldfarbigem Aluminiumblech die Glasfassade. Es schließt das Gebäude feierlich und ruhig nach oben hin ab. Dieses Band fasst den Platz, bildet ein schönes Pendant zum Palais und eine elegante Überleitung zum MUMUTH. Seine Struktur leitet sich von der abstrahierten Bewegung eines Saltos ab – sie findet sich auch in der abgehängten Decke im Inneren. Eine Kunstuniversität wird zur Bühne für die Stadt.
Die Universität Graz ist die größte der Steiermark, derzeit zählt sie etwa 31.000 Studierende. Sie liegt unweit vom Stadtpark sehr zentral. 1895 wurde das Hauptgebäude eröffnet, später die Bibliothek angebaut. Gegenüber gleitet wie ein überdimensionierter Hochseedampfer das RESOWI Zentrum des Jahres 1996 an der Außengrenze des Campus entlang. Günther Domenig und Hermann Eisenköck konstruierten den 300 Meter langen Bau mit seinen 33 Instituten als Schwebebalken über dem weitgehend offenen Erdgeschoss, in das sie weitere Bauteile stellten. Diese rücken der Bibliothek schon sehr nahe. Das Grazer Architekturatelier von Thomas Pucher befreite den Bestand von einem Zubau der 1970er-Jahre, wodurch vor der nordwestlichen Stirnseite der Bibliothek ein schöner, urbaner Platz entstanden ist. Ein gläsernes Außenfoyer verbindet sie mit dem dahinterliegenden Uni-Haupthaus. Die geforderten Erweiterungsflächen wurden zum sieben Meter hohen Volumen gebündelt und – von einer schwarzen Glasfuge sauber abgesetzt – über die Bibliothek geschoben. In 15 Meter Höhe kragt es spektakuläre 19 Meter weit über dem Platz hinaus. Der Blick nach oben lohnt sich: Die Künstlerin Anna Artaker trug in Sgraffito-Technik eine extreme Vergrößerung der Illustration PERSPECTIVA PRACTICA des Gelehrten Jean Du Breuil aus dem Jahr 1642 auf die 500 Quadratmeter große Untersicht auf. Sie wird zum mehrfach perspektivischen Raumerlebnis. Eine raffinierte Treppenlandschaft mit inklusiven Rampen und umlaufenden Sitzstufen nobilitiert den Platz zu einer Art Agora. Der Aufbau zieht sich als offene, umlaufende Lernzone um den zentralen Luftraum zwischen historischer Laterne und neuem Glasdach. Ein roter, schallschluckender Teppich sorgt für gute Akustik und Komfort auf den Sitzstufen. Das tragende Fachwerk bildet auch die Stahl-Glasfassade aus. Rückseitig wird eine 250 Quadratmeter große Terrasse zum intimeren bibliophilen Pendant des Platzes. Im Unicorn – Zentrum für Wissens- und Innovationstransfer – trifft am südlichen Rand des Campus universitäre Forschung auf innovatives Unternehmertum. Sein Charakter als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zeigt sich auch in der Kombination aus Alt und Neu. Die Arbeitsgemeinschaft leb idris architektur + architektin iris reiter stellten einer entkernten historischen Gründerzeitvilla mit einem offenen Café für alle einen leicht konisch zulaufenden, fünfgeschossigen Neubau gegenüber. Seine eigenwillige Geometrie, die markante Lochblechfassade, die großen Fenster, offene, moderne Büro-, Seminarräume und Co-Working-Spaces für Start-ups symbolisieren seine Innovationsbereitschaft. Ein Brückenbauwerk verbindet beide Bauteile zum neuen Unicorn. Es hat seinen ambitionierten Namen aus der Welt der Start-ups, in der Unternehmen mit einem Marktwert vonüber einer Milliarde US-Dollar als Einhörner bezeichnet werden. In Graz lohnt sich der Blick nach oben in jedem Fall.
In Linz hat der Stahl- und Technologiekonzern voestalpine AG – ein Leitbetrieb der österreichischen Industrie – seine Zentrale. Jahrzehntelang war schlechte Luft ein Kennzeichen der Landeshauptstadt Oberösterreichs. Heute erfüllt die voestalpine alle Umweltstandards, auch die Arbeiter- und Stahlstadt hat sich vom hässlichen Entlein zum Schwan gewandelt. Linz hat ein pulsierendes Kulturleben und exzellente Bildungsstätten. Die Johannes Kepler Universität Linz (JKU) wurde 1966 als Hochschule für Sozial- und Naturwissenschaften gegründet, nach US-amerikanischem und britischem Vorbild war sie von Anfang an als Campus angelegt. Heute ist sie auf vier Fakultäten (Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Rechtswissenschaften, Technik-Naturwissenschaften, Medizin) und vier Schulen mit 23.000 Studierenden aus hundert Ländern angewachsen. Mit mehr als 365.000 Quadratmetern ist der Campus der JKU der größte Österreichs. Er liegt im Park von Schloss Auhof, wie ein Floß ankert auf dem malerischen See in der Mitte das Café Teichwerk von Luger & Maul. Die JKU war und ist in vielem Vorreiter, 1970 begann sie mit Informatik, als weltweit Erste bot sie ab 1990 ein reines Mechatronikstudium an. Das Wachstum des Campus folgt dem wissenschaftlichen Fortschritt. Riepl Riepl Architekten setzten nun vier neue Markstein-Bauten an Schlüsselpositionen. Am Übergang zum Wohngebiet am südlichen Rand der JKU schafft die neue Kepler Hall einen öffentlichen Ort. 90 Meter lang, 22 Meter breit, neun Meter hoch, wird die rundum verglaste Halle zum Portalbau. Rundherum eine elegante, schwarze Stützenreihe, darüber eine Decke aus schwarzen, vorgefertigten Holzkassetten. 100 Meter lang, 38 Meter breit, bilden ihre weiten Auskragungen einen gedeckten Umraum. Hier finden bereits Wochenmärkte statt, auch anderes ist möglich. Innen gibt es eine Galerie und einen abgesenkten schwarzen Sportsaal mit Tribüne, der sich für Veranstaltungen aller Art eignet. Kinder aus der Nachbarschaft turnen hier, Studierende soundso, auch das Bruckner-Orchester gab schon Konzerte. Mit farbkräftigen, raumhohen,halbtransparenten Vorhängen des Künstlers Gilbert Bretterbauer lässt sich die Halle abdunkeln und zum Lampion verwandeln. Vor dem Eingang schafft das Dach einen 20 Meter tiefen, gedeckten Vorplatz, der in einen von Landschaftsarchitektin Anna Detzlhofer mit Föhren, Kies und Drehstühlen gestalteten Park übergeht. Hier kann jede und jeder die Perspektive wählen. Der Turm der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät (TNF-Turm) ist mit fast 50 Metern Höhe der höchste Bau am Campus. Riepl Riepl Architekten sanierten den betonbrutalistischen Laborturm aus den 1970ern rudimentär minimalistisch und setzten die faszinierende Stahlstruktur des Somnium auf das Dach. Diese Aussichtsplattform mit Seminarraum scheint dem Himmel sehr nah und referiert auf den Text „Somnium – Traum“, in dem Kepler 1609 ein Leben auf dem Mond imaginiert. Das Somnium ist ein Ort für Intuition, Inspiration, Traum und für Kaffeepausen sehr beliebt. Am westlichen Rand des Areals steht das neue Linz Institute of Technology. Eine kompakte Box aus dunkelroten Holzfertigteilen – 100 Meter lang, 40 Meter breit, elf Meter hoch, mit reichen Innenleben. Oberlichtsheds belichten modernste Fertigungsstraßen, es gibt Labore und attraktive Co-Working-Spaces mit Galerien, viel Tageslicht und Sitztribünen, die sich auch als informelle Hörsäle eignen. Im Erdgeschoß ist sogar ein Supermarkt. Die bestehende Bibliothek neben der Hörsaalspange erweiterten Riepl Riepl um eine Raumschicht voll Poesie und lapidarer Raffinesse. Sie setzten einen eingeschoßigen Baukörper mit annähernd quadratischem Grundriss und zentral eingeschnittenem Innenhof auf den Bestand. Beidseitig verglast, wickelt sich die Bibliothek um den Hof in ihrer Mitte. Und zwar so, dass etwa ein Drittel des Hofes als luftiger Leerraum über die Dachkante ragt. Filigrane Stützen aus Stahlbeton tragen die weit auskragenden Bibliotheksflügel, die den Lufthof definieren und einen gedeckten Vorplatz schaffen. Man erreicht diesen Zubau auch über eine Außentreppe, die beim Aufstieg auf einem Podest die Laufrichtung ändert. Ein schönes Bild für einen beweglichen Geist. Johannes Kepler erkannte, dass Planeten auf elliptischer Bahn um die Sonne kreisen. Die Künstlerin Eva Schlegel brachte an der Untersicht der Außentreppe einen elliptischen Spiegel an. Darunter steht ein Sitzobjekt mit elliptischer Spiegeloberfläche. Von dessen Umlaufbahn am Boden und der Treppe aus öffnen die Spiegelreflexionen neue Blicke auf Universum und Welt. 2003 wurde der Masterplan für den Science Park entwickelt, der Forschung und Entwicklung in Mechatronik, Informatik und anderen naturwissenschaftlichen und technischen Disziplinen vereint. Caramel architekten gewannen den Wettbewerb. Insgesamt 14 Jahre dauerte es, bis die fünf Bauteile fertig waren. Die langen, liegenden Riegel mit der metallenen Fassade, deren horizontale, leicht springende Fensterbänder an Strichcodes erinnern, sind eine Größe für sich. Großzügige Durchgänge, gedeckte Vorbereiche, eingeschnittene Innenhöfe, Bankbänder im öffentlichen Raum und riesige, sonnengelbe Erschließungszonen mit Luftbrücken im Inneren portionieren das große Volumen in attraktive Raumsequenzen. Derzeit entsteht als Erweiterung des Campus das „House of Schools“ von querkraft architekten. Der Campus der Johannes Kepler Universität in Linz zieht auch nichtstudentische Besucherinnen und Besucher in seinen Bann – sei es zum Kunst schauen, zum Frühstücken oder zum Enten füttern.
Wien ist Welthauptstadt der Musik, die mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien eine der renommiertesten ihrer Art. Etwa 3.000 Studierende aus über 70 Nationen werden hier auf mehreren Standorten in Musik, Theater und Film ausgebildet, es gibt etwa 1.300 Veranstaltungen pro Jahr. Der Campus am Anton-von-Webern-Platz liegt versteckt auf dem Areal der einstigen kaiserlichen „Tierärztlichen Hochschule“ an einem Bahneinschnitt im dritten Wiener Gemeindebezirk. Ein breiter Übergang – zum Antonvon-Webern-Platz geadelt – führt zum Haupteingang. Schlicht rahmen weiße, spätklassizistisch nüchterne Trakte einen schönen Innenhof. Sie wurden von Architekt Reinhardt Gallister saniert und erweitert. 2004 kamen die Filmstudios, später Konzertsäle, 2016 dann Bibliothek und Mensa dazu, alles entworfen von Gallister. Letztere liegen an der Stirnseite im Norden, im Süden bildet das Future Art Lab von Pichler & Traupmann Architekten ihr Pendant. Dazwischen breitet sich – 100 Meter lang, 50 Meter breit – der Park aus. Hier sitzen Studierende im Gras, Klaviermusik, Gesang und Stimmengewirr bilden eine flirrende Geräuschkulisse. Die Architektur des Future Art Lab ist dynamisch, sie muss erlebt werden. Der Weg durch den Park ist die Ouvertüre, der Mäander das räumliche Leitmotiv. In großen Glasscheiben spiegelt sich der Campus. Im ersten Stock schraubt
sich der östliche Gebäudeflügel um die Dachterrasse auf die zweigeschossige Raumflucht im Westen. Ihr Flachdach kantet sich einmal ums Eck und wird gegenschwingend zum Vordach für das Entrée. Das Foyer ist auch Verteiler: rechts der Eingang in das schwarze Art-House-Kino, links stürzt eine Sichtbetonwand zum Klangtheater ins Untergeschoss. Es ist eine Art zweigeschossige experimentelle Bühne, sie eignet sich besonders für elektronische Musik. Als Weg durch das Future Art Lab dringt eine kaskadentreppe durch einen Luftraum auf eine Galerie, ändert ihre Laufrichtung und schwingt sich in den zweiten Stock. Dort ist der Konzertsaal: ein Raum im Raum mit einer Innenschale aus massivem Holz für bis zu drei Klaviere. In dieser Ebene befinden sich auch Proberäume mit Blick ins Grüne. Die Bibliothek der Filmakademie und eine großzügige Dachterrasse im ersten Stock sind ebenso dem Hof mit den mächtigen Bäumen zugewandt. In der Mitte des Volumens liegt der Aufnahmesaal, der an drei hochtechnologisch ausgestattete Regieräume angrenzt. Seitlich ändert das Future Art Lab seinen Charakter zu goldschimmernd geschlitzt. Hier entschwindet eine Rampe zu den Seminarräumen der Filmakademie im Untergrund. Als professionelle Bühne für Musik und Film ist das Future Art Lab auch eine neue öffentliche Spielstätte. Mit dem mdw-Campus hat eine Institution, auf die die ganze Stadt stolz ist, einen stilvollen Rahmen. Mit Konzerten und anderen Veranstaltungen hat der Campus einen festen Platz im reichen Kulturgeschehen Wiens.
Das medizinische Wien ist im neunten Bezirk angesiedelt. Zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verläuft die Spitalgasse. Östlich von ihr befindet sich das Alte Allgemeine Krankenhaus. 1686 als Soldatenspital gegründet, im 18. Jahrhundert mehrmals ausgebaut, bildet es ein reizvolles Geflecht von Höfen. In den 1990ern wurde es um Neubauten ergänzt zum Campus der Universität Wien. Westlich der Spitalgasse gibt es weitere historische Pavillons, die von der Medizinischen Universität Wien genutzt werden. Dahinter liegt das Wiener Allgemeine Krankenhaus (AKH), eine technoide Großform, deren monumentale Bettentürme von überall zu sehen sind. Das AKH ist auch Universitätsklinikum und Synonym für Spitzenmedizin. Viele Institute der MedUni Wien liegen am Gelände. Das Vorklinikum am Anfang jedes Medizinstudiums ist derzeit auf mehrere Standorte verteilt, es wird in wenigen Jahren am MedUni Campus Mariannengasse gebündelt. Der Bauplatz ist ein Gründerzeitblock im dichten Stadtgefüge. Seine Längsflanke verläuft im Osten entlang der Spitalgasse, im Süden wird er von der Mariannengasse begrenzt. Die Blockrandbebauung ist sehr heterogen. Ein Großteil des westlichen und östlichen Trakts ist in der Schutzzone – das heißt, es darf das umliegende Stadtgefüge nicht stören. Die äußersten nordöstlichen und nordwestlichen Ecken gehören nicht zum Baufeld. Auf dem Grundstück mit 8.600 Quadratmetern waren 60.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche zu schaffen. Delugan Meissl Associated Architects (DMAA) und Architektur Consult (AC) bewältigten diesen Drahtseilakt mit Bravour. Ihr Campus strukturiert die Kubatur so geschickt, dass auf Straßenniveau ein durchwegbares, lichtes Gefüge entsteht. DMAA entnahmen dem Block nicht adaptierbare Bausubstanz und füllten ihn mit einer großzügigen, von begrünten Innenhöfen perforierten Sockelzone. Sie schafft eine durchlässige Verbindung zur Spitalgasse und zum AKH. Dieser fluide Raum ist mit unterschiedlichen Raumhöhen, Rampen, Galerien, Sitzpodesten und Atrien zur natürlichen Belichtung attraktiv gestaltet. Er dient als Fluktuations-, Kommunikationszone und Verteiler in Hörsäle, Labore und ins Untergeschoss, das viel Kubatur aufnimmt. Die dreigeschossige Sockellandschaft integriert auch die Bauten der Schutzzone, die bis zum Mittelgang als historischer Blockrand erhalten blieben. Das denkmal-geschützte Haus wird zur atmosphärischen Mensa, Labore sind zu einem funktionalen, neungeschossigen Riegel komprimiert, der von Nord nach Süd reicht. Zur Spitalgasse zeigt sich der Campus mit einer Stahl-Glasfassade zeitgenössisch elegant. Er schafft ein attraktives Lernumfeld mit optimalen Forschungsbedingungen, ohne den Maßstab der Stadt zu sprengen. Ein 30 Meter langes Wandpanorama in der Mensa gestaltet Thomas Feuerstein als „metabolische Landschaft“ aus überlagerten Karten und Stoffwechselwegen. Wie WhatsApp- oder Comic-Blasen poppen darin computergenerierte wissenschaftliche Textfragmente auf. Die Künstlerin Toni Schmale spannt aus Beton gegossene Körperfragmente in Darstellungen von Prakatiken aus der Ersten Hilfe in einem großen Rahmen in der der Aula auf. In der Kombination von Altbau und moderner Architektur entsteht mit dem MedUni Campus Mariannentasse ein einzigartiges Ensemble mitten im dichtverbauten Stadtgebiet, das baulich und atmosphärisch optimale Rahmenbedingungen für die Ärztinnen und Ärzte von morgen bietet.