Spitzenforschung im Jahrhundertwende-Palais

Letzte Woche hat der Complexity Science Hub (CSH) seinen neuen Standort im Palais Springer-Rothschild in der Wiener Metternichgasse eröffnet. Fast 300 Gäste entdeckten das Palais; das gesamte Hochparterre war für die Veranstaltung geöffnet und Projektleiter Clemens Novak zeigte bei drei Führungen, was sich in den anderen Stockwerken verbirgt. Kurt Zoglauer betreut den CSH als Asset Manager.

Christine Dornaus übergab nach ihrer Begrüßungsrede den symbolischen Eröffnungsschlüssel an CSH-Präsident Stefan Thurner – im Bild mit Stadträtin Veronica Kaup-Hasler, BIG Projektleiter Clemens Novak und CSH-Generalsekretär Philipp Marxgut.

Die Geschichte des Palais, seine Sanierung und heutige Nutzung


Das Palais Springer-Rothschild wurde Ende des 19. Jahrhunderts (1891-1893) errichtet. Der Bauherr Baron Bourgoing beauftragte um 1890 ein französisches Architektenduo mit der Errichtung seines Palais, was sich in der Architektursprache heute noch widerspiegelt: Charakteristisch für französische Stadtpaläste und im Gegensatz zur Wiener Tradition wurde das Palais von der Straßenfront abgerückt und davor ein Ehrenhof errichtet (Bild). Auch die Hauptfassade mit ihrem leicht hervortretenden Mittelrisalit und flachem Dreiecksgiebel folgt französischen Vorbildern aus dem Paris des 18. Jahrhunderts. Fassadenteile, Feuermauern und Einfriedungsmauern wurde in Bereichen mit Außenwirkung ebenfalls architektonisch gestaltet, indem neoklassizistische Blendarchitektur in Form von sogenannten Treillagen (Bild) vorgeblendet wurden. Ein besonders eindrückliches Exemplar ist im hinteren Hof erhalten. Die Treillage greift die Gestaltung des Wintergartens (Bild) auf und ist sehr wahrscheinlich einzigartig in Wien.

Bereits innerhalb der ersten Jahrzehnte nach Errichtung kam es aufgrund eines Eigentümerwechsels an das Ehepaar Baron Springer zu zahlreichen Erweiterungs- und Umbaumaßnahmen: Der Zugang über das Portierhaus wurde eingehaust, ein Wintergarten und ein Atelier als Zubau errichtet,  um 1925 ein weiteres Geschoß aufgestockt, und auch im Inneren kam es zu zahlreichen Umbauten: Die Raumausstattung wurde adaptiert und ein für die damalige Zeit einzigartiges privates Fotoatelier errichtet – inklusive Dunkelkammer und Retuschierzimmer, in dem die Fotografien nachbearbeitet wurden. Die Schiebefenster der Dunkelkammer, mit denen man Licht in verschiedenen Farben wie Dunkelrot oder Gelb erzeugen konnte, sind bis heute erhalten geblieben.

Der Repräsentationsanspruch, die Wohnatmosphäre und die Lebensgewohnheiten der Bewohnerinnen und Bewohner sind noch heute in Teilen des Gebäudes deutlich ablesbar. Auch die damalige Einrichtung (Gemälde, Möblierung, Bücher etc.) war umfangreich und hochkarätig, wie durch historisches Fotomaterial anschaulich belegt ist.
Anschließend waren Institute der mdw – Universität für Musik und darstellende Kunst Wien im Palais untergebracht, nun haben sie ihren Sitz im neu errichteten Future Art Lab am mdw-Campus am Anton-von-Webern-Platz im 3. Bezirk.

Die Sanierungs- und Adaptierungsarbeiten durch die BIG bestanden in einer Ertüchtigung der Versorgungs- und Entsorgungsleitungen (Wasser, Strom, Kanal) sowie in einer mieterspezifischen Arbeitsplatzversorgung, die aufgrund der offenen Kabelführung ein hohes Maß an flexibler Anordnung ermöglicht. Die barrierefreie Ausstattung und Erschließung aller wesentlichen Räumlichkeiten und die teilweise Neukonfiguration von Raumzuschnitten für die wissenschaftliche Forschungsarbeit wurden selbstverständlich in enger Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt und mit dem neuen Nutzer umgesetzt.  

Es wurden zeitgleich auch Restaurierungsarbeiten an den repräsentativen Oberflächen (Holz- und Terrazzoböden, Steinoberflächen, Glasmalereien) durchgeführt, wobei aufgrund budgetärer Rahmenbedingungen vorrangig eine Substanzsicherung verfolgt wurde. Dank einer Förderung durch das BDA konnten auch weiterführende Maßnahmen, die nicht ureigener Projektgegenstand waren, in Angriff genommen und in Verbindung mit zusätzlichen Instandhaltungsgeldern der BIG begonnen werden: va. Restaurierung von Wand- und Deckenmalereien, Gemälden, Stuckmarmor und Holzvertäfelungen. Die Restaurierarbeiten sollen in den kommenden Jahren noch fortgeführt werden (va. Fassadensanierungen).

Zudem wird das Palais jetzt ausschließlich mit Fernwärme beheizt, bestehende Gaszuleitungen wurden rückgebaut. 

Bei der Bestandssanierung kamen allerlei spannende Dinge zum Vorschein. In einer verschlossenen Nische, hinter einer Schalldämmwand, wurden drei Leinwandgemälde aus dem 18. Jahrhundert wiederentdeckt (Bild). Die mehr als 250 Jahre alten, mit Blumenmustern bemalten Leinwandgemälde schmückten ursprünglich den Speisesaal des Palais. Sie stammen aus Paris aus der Zeit um 1770.

Auch im Kleinen Salon, dem sogenannten Damensalon, gibt es Interessantes zu sehen. Darunter der Kaminaufsatz mit Spiegel und ein Gemälde mit schwebenden Putti (Bild), das dem niederländischen Spätbarockmaler Jakob de Witt (1589-1674) zugeschrieben wird und im Palais verbaut wurde. Die dunklen Mahagonischränke des Herrensalons sowie zahlreiche Wand- und Deckenmalereien sind weitgehend original. Kunstvolle Glasmalereien aus dem 17. Jahrhundert (Bild), die in bleiverglaste Fenster eingesetzt wurden, zieren die Bibliothek im ersten Stock.

Der Complexity Science Hub nutzt die Salons im Erdgeschoß als Tagungs- und Veranstaltungsräume, die Arbeitsplätze für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befinden sich in den Obergeschoßen und in der Mansarde. Zwei Gärten sowie die Bibliothek sollen gleichermaßen Inspirationsquelle und Pausenorte für die Beschäftigten sein.
Auch in Zukunft bleibt das Gebäude zu verschiedenen Anlässen für die Öffentlichkeit zugänglich: Vorträge, Podiumsdiskussionen, kleiner Veranstaltungen, Vernissagen und Ausstellungen.